LAUT
ODER
LEISE?
griechische thalassophilie
und
die unsterbliche nacht
Laut und leise. Eine Szenerie kann entweder laut oder leise sein, ruhig oder unruhig, aufbrausend oder beruhigend.
Laut oder leise. Auch ein Land kann entweder laut oder leise sein, bunt oder einfach, hektisch oder langsam, unter Strom oder abgeschaltet. Ein Medium, welches diese Stimmungen einzufangen vermag, ist die Fotografie. Lässt man sich in ein Foto fallen spürt man dessen Energie. Ist es laut oder leise, ist es hektisch oder langsam, ist es ruhig oder nervös, ist es aufbrausend oder beruhigend?
Ist Griechenland laut oder leise? Diese Frage ist der Kern dieser simplen Serie an Fotografien. Mit dieser banalen Frage fing dieses Projekt an, doch nach jedem Mal auslösen erblühte diese Frage weiter, warf Facetten neue Perspektiven und Wendungen auf, bis man vor einem verwinkelten Gedankenlabyrinth stand, am Horizont noch immer die Frage: ist Griechenland laut oder leise?
Vor einem liegt aber ein Tunnelgewinde an neuen, Unterfragen: Ist Griechenland veraltet, ist es modern? Ist Griechenland bunt oder ist es ruhig? Ist Griechenland ein Land für die Einheimischen oder ist es doch ein Land für die Touristen?
Der Kopf raucht, brütet über dem Gewirr. Im Endeffekt kommt man jedoch auf ein Conclusio, genauso simpel wie die Anfangsfrage: Griechenland ist laut und leise.
Griechenland, ein Hafen der Ruhe, der Ausgeglichenheit, der sanften sich im Wind wiegenden durchdringend-blauen Wellen, der summenden Olivenhaine, der urigen Tavernen abgetragen von der salzigen Luft und der unter den Sandalen knirschenden Steine. Das vor einem liegende Meer bildet den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, die Menschen werden angezogen von der Ruhe und der Kraft dieser unaussprechlichen Macht, welche so friedlich zu sein scheint. Ist man am Meer gibt es kaum jemanden der nicht dessen Nähe aufsucht, man sonnt sich am Strand, planscht in den seichten Wellen, taucht ein ins nasse Blau, oder versucht mit tiefen Zügen gen offenes Meer das Festland hinter sich zu lassen.
Man schließt die Augen, atmet tief ein und aus, lauscht der schäumenden Gischt wie sie gegen die Steine schnalzt. Ein sanfter Wind aus dem Pinienwald trägt das laute Zirpen der Grillen und den Duft der Bäume zu einem herüber, die Haare wiegen sich sanft in jenem Wind, das Salz und der Sand sprenkeln die Haut benetzen die erarbeitete Bräune.
Öffnet man nun die Augen, und begibt sich auf eine knapp viertelstündige Fahrt, findet man sich zwar nur wenige Kilometer weiter, aber gefühlt Welten entfernt.
Ein Griechenland, aufbrausend und pulsierend. Ein Mekka der Partywütigen, der Adrenalinsuchenden, ein kleines Universum, regiert von flackernden Neonlichtern, wummernden Bässen tönend aus den unzähligen Bars, aufkochender Konsumgeilheit und dem Bedürfnis, sich wendern komplett in das verworrene Lichtermeer einzutauchen oder auf dem Absatz umzudrehen und die Flucht zu ergreifen. Die Augen hetzen zwischen den Etablissements hin und her, eines lauter, schriller und bunter als das andere. Die Hände ballen sich, versuchen die sich wie ein Geschwür bildende Reizüberflutung im Zaum zu halten. Adrenalin schießt durch den Körper, unentschlossen ob es sich freut oder Angst machen soll. Aus den Bars links und rechts schallt Gelächter und Gegröle, der Geruch nach billigem Alkohol liegt in der Luft und beißt in der Nase.
Ein Land mit zwei Gesichtern. Ein Land mit Ruhe und Sturm. Ein leises Land, ein lautes Land.